Als ich mit 34 Jahren zum ersten Mal in eine Nicht-Großstadt zog, hatte ich große Sorge, mich dort verloren zu fühlen. Und dabei vergessen, wie einsam ich zuweilen unter all den unbekannten Menschen war. Wobei diese Einsamkeit nicht traurig sein muss. Es lag für mich auch immer eine positive Melancholie in dem Wissen, gemeinsam einsam zu sein.
Einsamkeit – Erinnerungen an die Großstadt
Zuhause, 2020
Die Straße scheint schmal
Wenn ich nach oben blicke
Die Hochhäuser zeigen den Himmel kaum
Menschen eilen vorbei
Ohne mich wahrzunehmen
Als wäre ich nur ein nebliger Traum
Ich stehe vorm Fenster
Neben mir das Café
In dem man gesehen wird, für einen Moment
Menschen strömen hinaus
Richtung Bahnhaltestelle
Zusammen und doch voneinander getrennt
Der Sog nimmt mich mit
Ich werde Teil dieser Masse
Ohne das Gefühl, Teil von etwas zu sein
Die Rolltreppe hinab
Liegt im Stummen die Trasse
Ich fühle mich unbedeutend und klein
Die Bahn fährt ein
Die Türen schließen
Gesichter starren leer ins Licht
Von Halt zu Halt
Wird die Anspannung stärker
Weil niemand hier mit keinem über irgendwas spricht
Endlich am Ziel
Fast nach draußen gerannt
Wie auf der Flucht vor dem Menschengedränge
Kurz allein an der Luft
Dann von einem Nachbarn enttarnt
Auch diese Begegnung treibt mich in die Enge
Ein höflicher Plausch
Gemeinsame Meter zu Fuß
Doch ich empfinde keine Geborgenheit
Ich schenke ein Lächeln
Weil ich denke ich muss
Komme endlich nach Haus, in die Einsamkeit